Was für eine dramatisch klingende Überschrift. Die große Kanu-Herausforderung! Was ist das?
Der Deutsche Kanu-Verband (DKV) hatte im Jahr 2018 die Idee, einen weiteren Wettbewerb für Freizeitsportler auszuschreiben. Hintergrund ist das 30-jährige Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung 2020. Als Leistung sollte in den letzten 30 Jahren in jedem Bundesland mindestens 30 km, gerne auch mehr, gepaddelt worden sein. Hat man diese Leistung bis 02.10.2020 erbracht (wegen Corona um ein Jahr verlängert), den Antrag gestellt, sowie 5,-€ an den DKV überwiesen, erhält man eine Urkunde und einen Aufkleber.
Als dies bei einem Paddlertreffen im KCF von mir vorgestellt wurde, gab es unterschiedliche Reaktionen. Von leichtem Schmunzeln bis Gelächter, aber auch sofortiger Begeisterung. Ich war unentschieden. Angestachelt durch meine Ehefrau: „Hopp, jetzt überprüf doch mal unsere Fahrtenbücher!“, kontrollierte ich diese, wie mir aufgetragen wurde. Hm, soviel fehlt gar nicht. Niedersachsen und Saarland fehlen komplett, in Hessen noch ein paar Kilometer. Die neuen Bundesländer wurden von uns bisher kaum bereist. Lediglich Sachsen. Die Stadtstaaten waren von uns komplett unbepaddelt.
Welch eine glückliche Fügung, dass das KCF-Kanuwanderprogramm noch nicht zu 100 % fix war und so noch angepasst werden konnte. So z. B. an Ostern 2019. Der KCF veranstaltete eine Vereinsfahrt nach Brandenburg in den Spreewald, der schon mehrfach in den zurückliegenden Jahren als Wunsch genannt wurde, jedoch aus unterschiedlichen Gründen bisher keine Berücksichtigung im Fahrtenprogramm fand (siehe separaten Bericht). Im Anschluss an die Spreewaldtour wollten meine Frau und ich noch nach Dresden. Stadtbesichtigung. Da wir das Kajak eh mit hatten, paddelten wir noch eine schöne Etappe auf der Elbe und somit die fehlenden Kilometer in Sachsen.
Für das Christi-Himmelfahrt-Wochenende hatte wir Sachsen-Anhalt und Thüringen im Fahrtenprogramm. Saale und Unstrut war das Ziel der Vereinsfahrt im Mai 2019 (siehe auch dazu den separaten Bericht).
Die KCF-Mittsommerfahrt folgte im Juni. Es ging zur Lahn. Massen von „Möchtegernpaddlern“ in Leihbooten führten meiner Frau und mir wieder vor Augen, warum wir die Lahn in den vergangenen Jahren ignorierten. Schön ist anders. Allerdings konnten wir somit auch Hessen „abhacken“.
Anschließend folgten die privaten Planungen für das Fronleichnamswochenende. Meine Frau und ich fuhren mit vier weiteren KCF’lern, die sich an die Herausforderung wagten, Richtung Norden. In Bremen paddelten wir zwei und eine weitere Tour in Niedersachsen. Da wir im Stadtgebiet von Bremen, unterhalb der letzten Schleuse auf der Weser paddelten, mussten wir den Gezeitenkalender lesen und verstehen. Am Bremer Ruderverein, wo wir unproblematisch unsere PKWs parken durften, starteten wir unsere Etappe auf der Unterweser. Kurz vor unserem Ziel kam uns ein KüMo entgegen. Groß und mächtig. Nicht aber seine Wellen. Außer der Weser wurden auch die Lesum und die Hamme gepaddelt. Die gehört jedoch zu Niedersachsen. Das Interessante bei dieser Fahrt war die Erfahrung, dass man einen Fluss genauso schnell rauf wie runter paddeln kann. Sofern man sich an dem Gezeitenkalender orientiert.
Für unseren Familienurlaub im Sommer 2019 hatten meine Frau und ich unabhängig von der Kanu-Herausforderung vor, Berlin und Hamburg zu besuchen. Sowie zwischendrin noch an der Ostsee ein paar Tage zu verbringen. Musicals sowie Hardcore-Stadtbesichtigungen hatten wir u. a. für Berlin und Hamburg auf der Agenda stehen. Nun planten wir noch Paddeltage mit ein. In Berlin paddelten wir ab dem Köpenicker Kanusportclub eine Etappe auf der Spree, bis zur Oberbaumbrücke, kurz nach dem monumental Kunstwerk „Moleküle-Man“ und zurück. Eine weitere Tour führte uns von unserem Standort an der Havel bis nach Potsdam in Brandenburg und über den großen Wannsee retour. Rast legten wir bei der Astoria Rudergemeinschaft ein.
Auf unserem Weg an die Ostseeküste kamen wir unweigerlich durch Mecklenburg-Vorpommern. Da hat’s doch die Müritz. Neuer Standort war der Campingplatz am Leppinsee. Von dort paddelten wir die große Fahrt auf der Müritz. Verschiedene Kanälchen verbinden kleinere Seen mit der Müritz. Landschaftlich waren diese 35 km sehr schön.
Es folgten weitere Besichtigungen, wie z. B. Waren oder Schwerin. Da Schwerin am Schweriner See liegt, lag es auf der Hand, dass wir auch dort unser Kajak zu Wasser brachten. Vom Kanu- und Kleinsegelverein Schwerin starteten wir zu einer gemütlichen Rundtour von 11 km um die Schloss- und Kanincheninsel. Danach war noch ausreichend Zeit für die Stadt.
Bevor es nach Hamburg ging, folgten nun vier Tage Ostsee. Vom neuen Standort am Salzhaff besichtigten wir u. a. Wismar, Poel, sowie Rostock und Warnemünde, Bad Doberan und Heiligendamm. Aber mit dem Kajak an der Ostsee und nicht paddeln? Das geht gar nicht. Eine kleine Runde drehten wir bei nahezu Ententeichbedingungen zwischen Poel und Salzhaff.
Es folgte Hamburg. Die DKV-Station beim ACC war jetzt unser neues Quartier. Direkt an der Alster gelegen, starteten wir vom Canoe-Club aus unsere Touren per Pedes und per Kajak hinein in die Stadt. Was wir aus der Paddlerperspektive sahen, hatten wir so nicht erwartet. Alster, Außen- und Binnenalster, vor allem die abzweigenden Kanäle, die u. a. Rondeelteich, Stadtparksee usw. miteinander verbinden, gefielen uns sehr gut.
Jeder Urlaub geht mal zu Ende. Auch der Sommerurlaub 2019. Um die Strecke bis in die Pfalz etwas zu verkürzen, verbrachten wir noch zwei Nächte an der Aller. Logischerweise nicht ohne selbige gepaddelt zu haben. In Celle unternahmen wir einen weiteren Stadtbummel. Somit haben wir uns in unserem Sommerurlaub vier Bundesländer erpaddelt. Und sehr viel gesehen.
Im August stand im Vereinsfahrtenprogramm eine WE-Fahrt ins Saarland an. Bilder der Saar Schleife kennen bestimmt viele. Wir nun auch aus der Paddlerperspektive. Das Saarland war für meine Ehefrau und mich das letzte noch ungepaddelte Bundesland. Danach konnten wir zwei behaupten: Herausforderung angenommen und bestanden.
Fazit: Ok, so einen Aufwand für eine Urkunde und einen Aufkleber für die große Kanu-Herausforderung? Versucht man, mit einer positiven Einstellung an die Sache heranzugehen, muss man erkennen: Deutschland ist schön, ist vielfältig. Ob im Süden oder Norden. Ob im Osten oder Westen. Ob auf Wild- oder Wanderwasser. Ob auf Süß- oder Salzwasser. Ob in Flächenländer oder in den Stadtstaaten. Für uns Zwei hat sich die Sache gelohnt. Die große Kanu-Herausforderung war quasi der Startimpuls, um die verschiedenen Länder unserer Republik mal zu besuchen. Wir haben es nicht bereut und haben Appetit bekommen. Appetit auf weitere Rundreisen durch Deutschland. Und darüber hinaus. Auch ohne Urkunde oder Aufbapper.
Reiner Ganß
KCF-Wasserwanderwart